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„Innovation braucht creaktive Mitarbeiter…" (Beitrag 7)

… entdecken Sie das creaktive Potenzial Ihrer Mitarbeiter“

Creaktivität – das ist die Bereitschaft und Fähigkeit, kreative Ideen zu entwickeln und aktiv umzusetzen.

Vorsicht! Ich denke quer … und möchte Sie dazu verführen, innovativ quer zu denken über das Thema Innovation und Ideenmanagement. Vorweg eine radikale Erkenntnis: Der übliche technokratische Ansatz des Ideenmanagements selbst muss reformiert oder besser revolutioniert werden.

Daher ganz zu Beginn ein revolutionärer Vorschlag: Wenn Sie keine Zeit (oder Lust) zum Lesen dieses Aufsatzes haben, dann lesen Sie wenigstens auf der letzten Seite den Absatz „13“. Spätestens dann, wetten, habe ich Sie am Haken und Sie lesen den Rest!

"Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt?!"

Suchen Sie nicht lange! Sie sind geradezu umzingelt von kreativen Mitarbeitern. Wetten! Augen auf!

Das ist sicher eine starke Behauptung, wenn man doch immer wieder und aller Orten hört, dass die Mitarbeiter zu wenig kreativ seien bzw. dass man zu wenig kreative Mitarbeiter findet. Das mag richtig sein, dass sie bei und mit Ihnen und verglichen mit Ihren Ansprüchen nicht kreativ sind, aber vielleicht oder gar ganz sicher in anderen Lebensfeldern. Ein Beispiel, um das zu illustrieren: Bei einem Automobilzulieferer. Ein Mitarbeiter am Band: Ordentlicher Arbeiter, aber schweigsam. Per Zufall fand man heraus, dass er stellvertretender Bürgermeister in einem Dorf ist. Man hatte diesen Mitarbeiter nur als Verlängerung des Bandes, der Maschinen gesehen, als Ressource, nicht als Mensch.

Kennen Sie Ihre Mitarbeiter wirklich?

Noch ein Beispiel: Ein Unternehmen hatte vom Mutter-Konzern die Vorgabe erhalten: „50 Millionen € einsparen!“ Der Vorstand wollte mit Unterstützung eines Beratungsunternehmens vor allem durch die Reduzierung der Personalkosten sparen: Personal abbauen. Der Betriebsrat e entwickelte einen Plan, 50 Millionen zu sparen, ohne Personalabbau. Das ist nicht nur löblich, sondern eine höchst kreative Leistung. In diesem Falle folgte der Vorstand den Ideen und Plänen der Mitarbeiter, nur um 2 Jahre später zu entscheiden, die Zentrale nach Berlin zu verlegen, ohne die Mitarbeiter zu involvieren. Zwar haben die Mitarbeiter das Angebot, mit nach Berlin ziehen zu können und ihren Job zu behalten. Wer gibt Haus und Familie und Freunde und … gerne einfach auf?! Es gibt auch einen komfortablen Sozialplan für die, die nicht mit nach Berlin gehen.

Ich frage Sie: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffenen Mitarbeiter sich wieder einmal aktiv mit ihren Ideen einbringen? Kreativität wird zuweilen durch radikale Management-Entscheidungen platt gemacht.

Crea-Scouting: Innovativ-kreative Mitarbeiter finden

Gehen Sie in Ihrem Unternehmen bzw. in Ihrem Bereich auf die Suche: Vielleicht „verkümmert“ im Controlling das verkappte Kreativitätsgenie, vielleicht wartet die Innendienstmitarbeiterin nur darauf, dass sie beim „Crea-Scouting“ entdeckt und endlich ihrer wahren Bestimmung zugeführt wird.

Wenn Sie kreative Mitarbeiter finden wollen bzw. die Mitarbeiter kreativer machen wollen, sollten Sie zuerst einmal bei sich selbst anfangen und in sich selbst gehen. Ideen, neue Ideen, schaffen Durcheinander, stellen Bestehendes in Frage, stellen auch Ihre Ideen in Frage.

Daher diese ein wenig provokativen Fragen an Sie:

  • Wollen Sie wirklich und tatsächlich creaktive Mitarbeiter haben?
  • Oder ist der Ruf nach creaktiven Mitarbeiter und die anschließend moderne Klage, dass es keine creaktiven Mitarbeiter gäbe, nur eine Ausrede, um zu verbergen, dass Sie am liebsten alles so haben wollen wie sie es selbst haben wollen?
  • Ist es Ihnen eigentlich ganz recht, dass Sie angeblich keine kreativen Mitarbeiter haben, da Sie dadurch Ihre eigenen Ideen verwirklichen können?
  • Brauchen und wollen Sie wirklich kreative Mitarbeiter oder suchen Sie nach Mitarbeitern, die Ihre Ideen großartig finden und begeistert umsetzen?
  • Hören Sie nur auf die Meinungen (Meinungen sind Ideen) Ihrer Mitarbeiter, wenn sie selbst nicht weiter wissen?
  • Haben Sie Angst, dass creaktive Mitarbeiter Sie in Ihrer Karriere überholen könnten?
  • Bringen Sie es über sich, die Ideen Ihrer Mitarbeiter als ihre, nicht als Ihre Ideen zu verkaufen?

Stolpersteine auf dem Weg zur creaktiven Denkfabrik

Eine Studie der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft zum Thema „Kreativität und Führung“ hat zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt: Die meisten der befragten Manager halten sich selbst für kreativ, aber den eigenen Vorgesetzten nicht. Trotzdem beziehen sie diejenigen Kreativitätsmerkmale, die allgemein für die Entfaltung von Kreativität als wichtig bezeichnet werden, nicht auf die eigene Person. Ist es mit dem Ideenreichtum zumindest der 604 befragten Manager also doch nicht so gut bestellt wie die subjektive Einschätzung suggeriert – nach dem Motto: „Nur ich bin kreativ“?

Die Studie belegt des Weiteren, dass die meisten Manager – nämlich 88 Prozent – den Bürokratismus als Haupthindernis für die freie Entfaltung der Kreativität ansehen. Aber auch die „Scheu vor Risiken“ und die „fehlende Fehlerkultur“ gelten als Stolpersteine, die ein Unternehmen auf dem Weg zur Ideen- und Denkfabrik scheitern lassen.

Creaktivitätsförderung

Wie können Sie nun bei Ihren Mitarbeitern, Chefs, Kollegen und bei sich selbst die Creaktivität fördern? Erwarten Sie keine Hinweise auf Verbesserungsvorschlagssysteme. Erwarten Sie aber interessanten Anregungen, die zum einen bei Gottlieb Guntern abgeschaut (Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung, Scalo Verlag, Zürich, Berlin, New York 1994). Zum anderen hat mich Walter Simon`s Bericht (Lust aufs Neue, 1999) über ein japanisches Unternehmen fasziniert. Auf beides möchte ich Sie neugierig machen.

  • Guck mal!
    Der erste und der wirksamste Ansatz, innovativ-kreative Mitarbeiter zu finden, ist, Ihre Mitarbeiter wirklich kennen zu lernen. Ganz einfach: Haben Sie sich die Lebensläufe Ihrer Mitarbeiter überhaupt schon einmal angeschaut? Wann haben Sie sich das letzte Mal persönlich mit Ihren direkten Mitarbeitern unterhalten? Reden Sie nur mit Ihren Direct Reports oder haben auch die „normalen“ Mitarbeiter „Zugang“ zu Ihnen? Ansonsten: Ich setze darauf, dass Sie wissen, wie man Menschen kennen lernen kann.
  • Erzähle mal!
    Und der zweite Schritt? Neue Ideen tatsächlich anzuhören, wahrzunehmen, zu diskutieren, zuzulassen, auszuprobieren, umzusetzen, … Und genau hier liegt der Haken.
  • Die Deregulation muss im eigenen Kopf beginnen.
    Regeln, Normen, Tabus brechen! Schalten Sie Ihre interne Zensur aus. „Geht nicht, gibt`s nicht!“ sollte Ihr Motto sein. Kreativität, Creaktivität und Innovationsbereitschaft setzen voraus, dass Sie, die Führungs-Kraft, mit bestem Beispiel vorangehen und bereit sind, Regeln und Normen in Frage zu stellen, die gewohnten Pfade zu verlassen und unbekannte Seitenwege neugierig zu beschreiten. Wer seinen Mitarbeitern vorlebt, Veränderungen flexibel und offen und ohne Angst vor dem Neuen zu begegnen, ermutigt sie zur Risikobereitschaft und dazu, etwas zu wagen und aufs Spiel zu setzen. Wer stets den sicheren Weg geht, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Mitarbeiter eben dort folgen.
    Sorgen Sie in ihrem personellen Verantwortungsbereich durch eine positive Beispielkultur für eine Atmosphäre, in der Lust auf Veränderung herrscht. Dies ist ein guter Nährboden für creaktive Einfälle.
  • Vielfalt ist besser als Einfalt.
    Wer etwas wagt, riskiert etwas - wer nichts wagt, riskiert mehr. Die Antennen der Wahrnehmung weit öffnen. Vielseitig interessiert sein. Inzucht geht mit einem beträchtlichen Verlust an Vielfalt einher. Gestresste Manager klagen oft, sie hätten keine Zeit mehr, ein Buch zu lesen, einen Film zu sehen oder einen Vortrag zu hören, der mit ihrem Berufsleben nichts zu tun hat. Sie unterliegen damit einem Strukturzwang, der die notwendige Vielfalt an Alternativen im Reservoir der Ihnen zur Verfügung stehenden Ideen und damit auch die Chancen für creaktive Leistungen drastisch verringert.
  • „Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen die Zwerge langeSchatten!“ (Karl Kraus)
    Creaktive Leistungen sind nur möglich, wo man das Außergewöhnliche, nicht das Durchschnittliche anstrebt. Man braucht ein großes Rollenvorbild, am besten ein Rollenvorbild aus einem völlig anderen Sektor, das einem als Identifikationsfigur dient und in schwierigen Zeiten Mut und Kraft gibt. Trauen Sie sich also, über den Tellerrand der Medizin-/Krankenhauslandschaft hinaus zu schauen.
  • Du sollst Dir ein Bildnis machen.
    "Was den Lesekundigen die Schrift, das bedeutet den Idioten das Bild!" Diese Aussage ist echt idiotisch. Wir müssen die Amputation der rechten Gehirnhälfte rückgängig machen und das abstrakte, das sprachliche Denken wieder um das Bilddenken ergänzen.
  • So-called soft issues are often the hardest facts.
    Tüchtige Manager halten sich gerne an "facts and figures" fest. Soft issues sind kein Sozialklimbim: Umgangsstil, Erwartungen, Hal-tungen, Stimmungen, Motivationen. Wer kein Gespür für die soft issues hat, der kann seine Teams nicht so steuern, dass sie creaktive Leistungen hervorbringen.
  • „Wer lacht, schadet der Heimat.“
    So las sich ein Sprayer-Satz an einer Autobahnbrücke in Zürich. Wer nur Furcht und Aggression kennt, dauernd lamentiert und die Sintflut rauschen hört oder "endlich mal aggressiv rangehen" und "den Gegner endgültig in die Knie zwingen" will, der vernachlässigt die positiven Emotionen. Creaktive Leistungen sind nur möglich, wo sich der froh gestimmte homo ludens mit dem ernsten homo faber ergänzt. Hoffnung, Freude, Spaß und Enthusiasmus, verspielter Umgang mit Ideen braucht es. Die Kreativitätsforschung hat nachgewiesen, dass eine sehr starke intrinsische Motivation, die auf der Faszination der Problemstellung beruht, einer der wichtigsten Faktoren für die Voraussage einer kreativen Leistung ist.
  • Wo Information richtig fließt, entsteht ein creaktiver Strom.
    Ideen müssen ungehindert kreuz und quer durch die Organisation fließen können und dürfen. Wo das "not-invented-here"-Syndrom herrscht, ist dieser Informationsfluss blockiert. Aktivierte Creakivität stimuliert stets neue Creaktivität; Creaktivität ist eine nie erschöpfbare Ressource, wenn sie fließen darf.
  • Streiten Sie intelligent
    Es braucht intelligenten Streit, um kreative Ideen tiefer auszuloten. Der Chief Executive Officer eines großen Pkw-Herstellers soll einmal einen kreativen Vorschlag in sein Team eingebracht haben. Es gab keine Gegenargumente. Nur Zustimmung, Nicken, Begeisterung. Daraufhin hat er seinen Vorschlag zurückgezogen: „Meine Damen und Herren, der Vorschlag ist offensichtlich nicht okay. Wir haben noch viel zu wenig darüber gestritten!“
    Voraussetzung für ein funktionierendes Ideenmanagement ist eine offene Streitkultur, in der nicht nach Fehlern und nach Schuldigen gesucht wird, sondern nach creaktiven Lösungen. Denken Sie vorwärts nicht rückwärts.
  • „Des Teufels Advokat“ … Kritikaster in´s Team
    Trauen Sie sich, Querdenker in Ihr Team zu nehmen und zu fördern. Kritikaster legen gerne den Finger in die Wunde, es macht ihnen Spaß, auf Fehler oder Missstände hinzuweisen. Wenn Sie sich das nicht trauen, ritualisieren Sie wenigstens den „Advokat des Teufels“ in Ihren Meetings ein. Einer aus dem Team darf und muss ganz bewusst die gegenteilige Meinung vertreten; so können Sie die positiven und die negativen Argumente für die Ideen ausloten.
    Folgen Sie dem, was der Wissenschaftstheoretiker Popper den Wissenschaftlern aufbürdet: Suchen Sie nach Argumenten gegen Ihre Ideen. Wenn die Ideen diesen Gegenargumenten standhält, sind sie wahrscheinlich gut. Eher technokratisch ausgedrückt: Machen Sie eine Analyse potentieller Probleme, wiegeln Sie die Bedenkenträger nicht ab, sondern fragen Sie präzise nach; Sie könnten Dinge erkennen, an die Sie nie gedacht haben.
  • Füllen Sie Ihren creaktiven Handwerkskasten auf
    Stellen Sie Ihren Mitarbeitern ein Crea-Instrumentarium zur Verfügung. Ein Creaktivitätsseminar kann nicht schaden. Das Brainstorming ist – so die erwähnte Studie der Akademie für Führungskräfte – mit überwältigender Mehrheit diejenige Methode, die die Manager am besten kennen und häufig einsetzen … aber meistens – gestatten Sie mir die Anmerkung – werden die Spielregeln nur maximal 3 bis 5 Minuten eingehalten; dann spätestens wird kritisiert und werden die Ideen gegenseitig abgeschossen. Schade drum.
    Nur Brainstorming? Das ist so als wenn Sie in Ihrem Werkzeugkasten nur einen Hammer hätten und damit jedwedes Problem angehen wollen.
    Es gibt zahlreiche weitere Techniken: das „Pro & Contra-Spiel“, den „Morphologischen Kasten“, die „6-3-5-Methode“, das „Laterale Denken“, die „Walt-Disney-Methode“ oder die „Six Thinking Hats“ (nach Edward de Bono). Ein Vorteil dieser Techniken: Sie lassen sich im Team einsetzen, um die Teamkreativität zu erhöhen. Bei der „Walt-Disney-Methode“ etwa schlüpfen die Teammitglieder in die Rolle des Träumers, Realisten und Kritikers, um eine Herausforderung aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln zu analysieren.
  • Die „13“ bringt Glück und Spaß und Erfolg … das Crea-Budget
    Die Zahl „13“ ist meine Glückszahl. Daher habe ich meinen größten ach so einfach und gleichzeitig so schwer zu realisierenden Wunsch an Sie auf diese Zahl gesetzt: Planen Sie und halten Sie ein Crea-Budget bereit. Ideen sind meist zunächst kraus und verwirrt. Es braucht Zeit, weiter zu denken und auszuprobieren. Die Mitarbeiter brauchen eventuell Zeit und Geld, Ideen weiter zu spinnen und auszuprobieren. Wer bereits (mehr als) 100% ausgelastet ist (mehr als 100% geht entgegen dem Sprachgebrauch logischerweise nicht!) hat keine Zeit und Energie, unübliche Ideen weiterzuspinnen. Vielleicht möchte der Mitarbeiter mal mit anderen Leuten sprechen, außerhalb Ihres Unternehmens, auf einer Konferenz zum Beispiel. Vielleicht braucht er etwas Labor- oder Rechnerzeit. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern, dass sie Zeit und Geld sinnvoll verwenden (wollen). So manches individuelles Crea-Budgt mag sich nicht auszahlen. Wenn sich eines aus zehn auszahlt, dann wäre das aller Erfahrung nach eine gute „hitrate“.

Autor

  • Dr. Reiner Czichos ist Experte für professionelles Veränderungsmanagement und für Projektmanagement. Er arbeitet seit 35 Jahren als Trainer, Berater, Moderator, Organisations- und Personalentwickler. Unter dem Motto „Das einzig Stabile ist die Veränderung- und die Veränderung ist Fortschritt“ wendet er sich mit den Beratungs- und Trainingsleistungen seines Unternehmens an Unternehmen, die unter Veränderungsdruck stehen.
  • Dr. Czichos ist seit 2010 ThinkSimple Experte für Persönlichkeitsentwicklung.